Offener Brief zum Diskurs um den Schumacher Club Bochum

Nachfolgend möchten wir den Offenen Brief zum Diskurs um den Schumacher Club Bochum Teilen:

Am 8. Juni erschien der Artikel “Partys und sexuelle Übergriffe – der Schumacher Club in Bochum” auf indymedia (unter folgendem Link nachzulesen: de.indymedia.org/node/87208 sowie auf diesem Blog). Als Zusammenschluss verschiedener Gruppen aus Bochum und Umgebung möchten wir uns öffentlich zu dem Artikel, der Stellungnahme des Clubs und den weiteren Geschehnissen seit der Veröffentlichung des Artikels positionieren und Forderungen an den Club formulieren.

In dem genannten Artikel werden Erfahrungen sexueller Übergriffe von als weiblich gelesenen Personen im Club aufgeführt, der Umgang mit diesen dort kritisiert sowie Kritik an der Selbstbezeichnung des Clubs als “Safe Space” geübt. So weit, so erschreckend: Dass Übergriffe dieser Art auch an sonst als progressiv wahrgenommenen Orten stattfinden, ist uns bewusst. Dass kein Ort garantieren kann ein “Safe Space” zu sein, ist ebenso ein Fakt. (Nach einer Erläuterung von den Betreiber*innen des Clubs, wie denn dieser “Safe Space” konkret umgesetzt werde, der wohl für den ganzen Club und z.B. nicht nur für einzelne Partys geltend gemacht wird, sucht man weiterhin vergeblich.) Doch im besagten Club wurde offenbar bewusst über sexuelle Übergriffe hinweggesehen und Täterschutz betrieben.

Was ist seit der Veröffentlichung des Artikels geschehen? Am 9. Juni veröffentlichten die Betreiber*innen des Clubs eine Stellungnahme. Diese zeichnet ein beinahe makaberes Bild, welches den im Artikel beschriebenen Umgang mit Übergriffen zu bestätigen scheint. Lediglich oberflächlich wird über die schwere Arbeit gesprochen, die man als “Safe Space” leisten würde und die durch den anonym verfassten Artikel nur noch erschwert würde – eine klassische Täter-Opfer-Umkehr. So etwas wie eine angemessene Entschuldigung oder die (wenn auch kurz genannte) notwendige Selbstreflexion bleibt hier aus. Stattdessen werden Betroffene aufgefordert sich zu outen, um an der Aufarbeitung und der Erarbeitung einer besseren “Prävention” mitzuarbeiten. Dass die geteilten Erfahrungen aber gerade davon berichten, dass z.B. bereits auf das Personal zugegangen und man hier nicht ernstgenommen wurde, wird übergangen. Die völlig unangemessene Aufforderung an Betroffene, sich zu outen und sich an einem persönlichen Gespräch zu beteiligen, beweist einmal mehr, dass sich hier nie ernsthaft jemand mit Traumatisierungen, sexuellen Übergriffen und ihren Folgen, Awareness oder gar “Safe Spaces” auseinandergesetzt hat. Es fehlt offensichtlich an einer tatsächlichen Auseinandersetzung, was schon allein an der Nutzung des irreführenden Begriffes “Safe Space” zu erkennen ist. Dieser ist eigentlich eine Unmöglichkeit in unserer Gesellschaft, es kann höchstens Bemühungen geben, “sicherere Räume” (als draußen), also “Safer Spaces”, zu schaffen. Dass der Schumacher Club sich als faktisch unmöglicher “Safe Space” deklariert, ohne Worten Taten folgen zu lassen, ohne ihr Konzept, wie ein solcher “Safe Space” denn nach ihren Vorstellungen auszusehen hat, wie Awareness in ihren Räumlichkeiten funktioniert, wie planmäßig mit Übergriffen umgegangen wird, darzulegen, bedeutet zumindest fehlende Transparenz, wenn nicht absolut fehlendes Engagement seitens des Clubs. Konstruktive Nachrichten, die Verbesserungsvorschläge
und Tipps zur Erstellung und Verbesserung von Awarenesskonzepten enthalten, werden schlichtweg ignoriert.

Doch damit nicht genug. Der Artikel und die Stellungnahme des Clubs ermutigten Betroffene ihre Geschichten zu veröffentlichen – beispielsweise als Kommentar unter der Stellungnahme. Eine Betroffene berichtete, wie sie daraufhin in privaten Nachrichten von einem Mitarbeiter des Clubs beleidigt und unter Druck gesetzt wurde. Des Weiteren behauptet ein Mitarbeiter des Clubs bei Facebook, bei dem Profil der Betroffenen handele es sich um ein Fake Profil. Es stellt sich natürlich die Frage, ob es sich hierbei um einen Einzelfall handelt, oder ob auch andere Betroffene, die ihre Geschichten veröffentlicht haben, jetzt unter Druck gesetzt werden.
Mit der Stellungnahme und dem hier beschriebenen Verhalten offenbaren die Betreiber*innen und alle weiteren beteiligten Personen, dass sie nichts, wirklich rein gar nichts verstanden haben. Oder was versteht ihr unter “Safe Space”, Schumacher Club? Was habt ihr dafür getan? Wie habt ihr eure Mitarbeiter*innen geschult? Was habt ihr von Menschen, die Partys im Club veranstalten, an Awarenessarbeit gefordert? Ausbleibende Antworten auf diese Fragen sprechen für sich…
Seit der entlarvenden Stellungnahme des Clubs gab es kein weiteres Statement, keine öffentliche Entschuldigung, es wurde nicht auf die Inhalte des Artikels reagiert und die oben genannten Fragen stehen weiterhin unbeantwortet im Raum. Natürlich sind alle Partys, die im Schumacher Club stattfinden, unterschiedlich, da sie von unterschiedlichen Gruppen veranstaltet werden. Der Club fungiert dabei als “Gastgeber” der unterschiedlichen Partys. Menschen mit Verantwortung stecken hinter diesem Konstrukt und deckeln die einzelnen Vorfälle. Das Gefüge des gastgebenden Clubs und der Partyreihen, die dort veranstaltet werden, ist in der Clubkultur (auch im Ruhrgebiet) ja leider öfter vertreten. Dadurch entsteht häufiger ein Konstrukt, das statt Club die Partymacher*innen in die Verantwortung zieht, für Sicherheit zu sorgen. Sie sollen die Awareness stellen. Awareness und Sicherheit sollten dem Club selbst ein Anliegen sein. Man sollte sich nicht “fein raus ziehen”. Das Ganze erinnert an ein neoliberales Unternehmen-Subunternehmen-Gebilde mit netter Umschreibung, in dem die Verantwortlichkeiten munter hin und her gespielt werden können. Aber: Man macht als Club Kohle mit den Partys – genauso wie die Veranstaltenden. Und die sollte verdammt nochmal auch an Awareness gehen. Wenn man dafür keine Kohle ausgeben kann und will, macht man Party auf Rücken von FINT.
Bei der “because the night belongs to lovers” Party gibt es beispielsweise ein Awareness Team. Es ist auch die einzige Gruppe aus dem Spektrum des Clubs, die eine Stellungnahme zu den Vorfällen veröffentlicht hat. Von allen anderen Veranstalter*innen wartet man nun seit Wochen vergeblich auf eine Positionierung. Und wer schweigt stimmt bekanntlich zu. Wir fordern alle Veranstalter*innen, auch wenn sie ein Awareness Konzept haben oder jetzt daran arbeiten wollen, dazu auf, sich bewusst zu machen, dass ihre Partys in einem Club stattfinden, dessen Betreiber*innen ihre Egal-Haltung und damit ihre Täterschaft auf einem Silbertablett der Öffentlichkeit präsentiert haben!¹

Wir sind erschrocken über die Vorkommnisse im Club, die im Artikel auf indymedia beschrieben wurden! Wir sind entsetzt über die demaskierende Reaktion des Clubs! Wir sind erschüttert darüber, dass Betroffene unter Druck gesetzt werden! Wir stehen solidarisch an der Seite der Betroffenen! Wir werden nicht dulden, dass all das im Sande verläuft oder sich die Betreiber*innen jetzt mit einem geheuchelten Awareness Konzept aus der Schlinge ziehen. Die Würfel sind gefallen.
Wir begrüßen eine diverse und queere Clubkultur. In der “gemeinsam feiern” neu definiert wird. In der sich feiernde Menschen sicher und wohl fühlen, einander respektieren und Verantwortung für einander übernehmen. Diese Wünsche bleiben jedoch auch im Schumacher-Club nur eine Utopie, da sie schlichtweg nicht über Lippenbekenntnisse hinausgehen. Wo im Verborgenen sexuelle Übergriffe durchgeführt und toleriert werden, kann kein Ort für Veränderungen entstehen.
Auf Grund des fehlenden Willens zur Selbstreflexion und den demaskierenden Reaktionen des Clubs auf die Vorfälle fordern wir die Schließung des Schumacher Clubs!
¹ In der Zwischenzeit hat auch Neele Charon (Resident DJ bei der Partyreihe “Candy Mountain”) sowie die “Arrow” (Veranstaltungsreihe im Schumacher Club) eine Stellungnahme zu den Vorfällen auf ihren Facebook-Seiten veröffentlicht.

Zum Orginal geht es hier entlang: Schulterschluss Bochum

SZ Orga-Plenum 04. November 2020